In einer aktuellen Entscheidung des Sozialgerichts Berlin (SG Berlin, Urteil vom 14. Februar 2025 – S 221 BA 18/23) wurde die Frage der Sozialversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern in berufsständischen Körperschaften des Privatrechts, insbesondere in eingetragenen Vereinen, behandelt. Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und ehrenamtlicher Tätigkeit im Rahmen von Vorstandstätigkeiten.
Die Klägerin zu 1. ist eine berufsständische Körperschaft des Privatrechts, organisiert als eingetragener Verein, deren Mitglieder die Zahnärztekammern der Bundesländer sind. Der Kläger zu 2. ist seit 2021 gewählter Präsident der Klägerin zu 1. und nimmt in dieser Funktion an Vorstandssitzungen und anderen Verbandsveranstaltungen teil. Er vertritt und repräsentiert die Klägerin zu 1. auf verschiedenen Veranstaltungen und hat ein Büro in der Geschäftsstelle der Klägerin sowie ein weiteres Büro in seiner Wohnung. Der Kläger zu 2. erhält eine monatliche pauschale Aufwandsentschädigung von 11.850 Euro.
Die Beklagte stellte fest, dass der Kläger zu 2. seit dem 4. Juni 2021 als Präsident der Klägerin zu 1. eine abhängige Beschäftigung ausübt und damit sozialversicherungspflichtig ist.
Die Kläger erhoben Widerspruch und später Klage gegen diese Entscheidung, die jedoch vom Sozialgericht Berlin abgewiesen wurde.
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und kam zu dem Schluss, dass der Kläger zu 2. eine abhängige Beschäftigung ausübt.
Das Gericht stellte fest, dass der Kläger zu 2. satzungsgemäß an die Beschlüsse und Vorgaben der Bundesversammlung gebunden ist und diese Bindung eine Weisungsabhängigkeit begründet. Die Bundesversammlung hat das Recht, den Vorstand zu wählen und abzuwählen, und gibt die Leitlinien des Vereins vor, an die der Vorstand gebunden ist. Diese Bindung an die Beschlüsse der Bundesversammlung ergibt sich auch aus der gesetzlichen Konzeption des Vereins nach § 27 Abs. 3 BGB und § 665 BGB.
Das Gericht führte aus, dass es unerheblich ist, dass keine Einzelweisungen erteilt werden. Entscheidend ist vielmehr die rechtliche Bindung an die Beschlüsse der Bundesversammlung und die Möglichkeit der Abwahl. Eine rein faktische Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts ist nicht maßgeblich.
Das Gericht stellte fest, dass die Aufgaben des Klägers zu 2. nicht nur rein repräsentative, sondern auch administrative und verwaltungstechnische Aufgaben umfassen. Der Kläger zu 2. ist in die Organisationsstruktur des Vereins eingegliedert und hat keinen entscheidenden Einfluss auf die interne Willensbildung des Vorstands, da Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden und er jederzeit überstimmt werden kann.
Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass die an den Kläger zu 2. gezahlte monatliche Pauschale von 11.850 Euro keine Aufwandsentschädigung, sondern eine Vergütung darstellt. Die Höhe der Zuwendungen spricht eindeutig für eine entgeltliche Erwerbstätigkeit und Erwerbsabsicht. Eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt nicht vor, da die geleistete „Aufwandsentschädigung“ tatsächlich eine Vergütung darstellt und die Höhe der Zuwendungen für eine entgeltliche Erwerbstätigkeit spricht.
Diese Entscheidung des Sozialgerichts Berlin zeigt, dass die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und ehrenamtlicher oder selbstständiger Tätigkeit im Rahmen von Vorstandstätigkeiten komplex ist und einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bedarf. Sie betont die Bedeutung der Weisungsabhängigkeit, der Eingliederung in die Organisationsstruktur des Vereins und der Vergütung für die Einordnung als abhängige Beschäftigung. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis und sollte bei der Gestaltung von Vorstandstätigkeiten und der Festlegung von Vergütungen berücksichtigt werden.
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