Elternunterhalt

In seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) grundlegende Fragen zum angemessenen Selbstbehalt beim Elternunterhalt geklärt. Die Entscheidung betrifft die Bemessung des Selbstbehalts für Unterhaltszeiträume nach Inkrafttreten des § 94 Absatz 1a SGB XII durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Abs. 1a ist zum 1.1.2020 in Kraft getreten.

Der Antragsteller, ein örtlicher Träger der Sozialhilfe, nahm den Antragsgegner auf Zahlung von Elternunterhalt für dessen pflegebedürftige Mutter in Anspruch. Die Mutter lebte in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, deren Kosten nicht vollständig durch ihre Rente und Pflegeversicherungsleistungen gedeckt waren. Der Antragsteller hatte für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 Leistungen in Höhe von 1.513,34 EUR monatlich erbracht.

Der Antragsgegner, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hatte ein Jahresbruttoeinkommen von 133.618,36 EUR im Jahr 2020. Da sein Einkommen die Grenze von 100.000 EUR überstieg, war ein Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1a SGB XII nicht ausgeschlossen.

Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht hatten die Klage des Antragstellers abgewiesen, da sie den Antragsgegner nicht für leistungsfähig hielten.

Der BGH hob diese Entscheidungen auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurück.

Die zentrale Rechtsfrage betraf die Bemessung des angemessenen Selbstbehalts beim Elternunterhalt. Insbesondere ging es darum, ob der Selbstbehalt an der Einkommensgrenze des § 94 Abs. 1a SGB XII ausgerichtet werden sollte, die bei einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR liegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte einen Mindestselbstbehalt von 5.000 EUR für Alleinstehende und 9.000 EUR für Verheiratete angenommen, basierend auf dem Nettoeinkommen, das sich aus einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR ergibt.

Der BGH lehnte die Ausrichtung des Selbstbehalts an der Einkommensgrenze des § 94 Abs. 1a SGB XII ab. Er begründete dies damit, dass diese Ausrichtung auf einem „unterhaltsrechtlich systemfremden Bemessungsansatz“ beruhe, der mit den Wertungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes nicht gerechtfertigt werden könne.

Der BGH betonte, dass die Einkommensgrenze von 100.000 EUR nicht darauf abziele, besonders gutverdienende Kinder zu begünstigen, sondern darauf, den Unterhaltsregress des Sozialhilfeträgers zu begrenzen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Grenze zum Ausdruck gebracht, dass Kinder mit einem Einkommen von mehr als 100.000 EUR nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft von ihrer Unterhaltspflicht befreit werden sollten.

Der BGH bekräftigte die traditionellen Grundsätze der Selbstbehaltsbemessung beim Elternunterhalt.

Der in der Düsseldorfer Tabelle 2020 noch ausgewiesene Betrag von 2.000 EUR sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Auch die in einigen Leitlinien für 2024 festgesetzten Beträge von 2.650 EUR seien „gerade noch“ angemessen.

Als Reaktion auf die gesetzgeberische Intention, unterhaltspflichtigen Kindern „als Anerkennung für die von ihnen getragenen Belastungen“ zusätzlichen finanziellen Freiraum zu verschaffen, erhöhte der BGH den Anteil des über dem Selbstbehalt liegenden Einkommens, der beim Pflichtigen verbleiben soll, von etwa 50% auf etwa 70%.

Die Entscheidung des BGH schafft Klarheit in einer umstrittenen Rechtsfrage und verhindert eine Rechtszersplitterung zwischen den Oberlandesgerichten. Sie bestätigt die Eigenständigkeit des Unterhaltsrechts gegenüber sozialrechtlichen Wertungen.

Die unterhaltspflichtige Kinder profitieren von der Erhöhung des verbleibenden Einkommensanteils von 50% auf 70%. Dies stellt eine spürbare Entlastung dar, ohne das System des Elternunterhalts grundlegend zu verändern.

Für Sozialämter bringt die Entscheidung Rechtssicherheit. Sie können weiterhin mit den bewährten Berechnungsgrundlagen arbeiten und müssen nicht befürchten, dass der Unterhaltsregress durch überhöhte Selbstbehalte praktisch unmöglich wird.

Der Beitrag enthält allgemeine Informationen zu rechtlichen Themen. Eine rechtliche Beratung im Einzelfall kann er nicht ersetzen.