Die Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Mai 2025 (Aktenzeichen: L 2 BA 6/25 ER) betrifft die Frage der Sozialversicherungspflicht von Prostituierten, die in einem sog. Flatrate-Bordell tätig sind.
Dieser Fall wirft grundlegende Fragen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit auf und hat Auswirkungen für ähnliche Konstellationen in der Praxis.
Der Antragsteller betrieb ein Flatrate-Bordell, in dem Kunden einen Pauschalpreis von 100 bzw. 120 Euro entrichteten. Die Hälfte dieser Beträge floss in eine „Damenkasse“, aus der die Prostituierten am Ende des Tages entlohnt wurden. Die andere Hälfte behielt der Antragsteller zur Deckung der Betriebskosten und als Gewinn ein.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV forderte die Antragsgegnerin Nachzahlungen für Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 349.901,44 Euro für die Jahre 2014 bis 2016 nach.
Die zentrale Frage war, ob die Prostituierten als abhängig Beschäftigte oder als Selbstständige einzustufen sind. Dies ist entscheidend für die Frage der Sozialversicherungspflicht. Das Gericht argumentierte, dass die Prostituierten in die Arbeitsorganisation des Antragstellers eingegliedert waren und dessen Weisungen unterlagen. Sie hatten keine eigenen Vergütungsansprüche gegenüber den Kunden und waren in die betriebliche Abläufe eingebunden. Dies spreche für eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Frage der Verjährung der Beitragsforderungen, insbesondere für das Jahr 2014. Das Gericht stellte fest, dass die Verjährungsfrist für die Beitragsforderungen für das Jahr 2014 bereits abgelaufen war. Die Hemmung der Verjährung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV sei nicht eingetreten, da die Prüfung beim Arbeitgeber erst im April 2019 begonnen habe. Für die Jahre 2015 und 2016 wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz jedoch abgelehnt, da keine konkreten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen bestanden.
Die Entscheidung trägt zur Klarstellung der Kriterien bei, nach denen abhängige Beschäftigung von selbstständiger Tätigkeit abgegrenzt wird. Dies ist nicht nur für den Bereich der Prostitution relevant, sondern auch für andere Branchen, in denen ähnliche Arbeitsmodelle existieren. Die Verjährungsfristen und die Voraussetzungen für die Hemmung der Verjährung sind außerdem ein wichtiger Hinweis für Arbeitgeber und Träger der Rentenversicherung, die Prüfungen durchführen. Die Entscheidung zeigt auch, dass vorläufiger Rechtsschutz auch in komplexen Fällen des Sozialversicherungsrechts möglich ist.
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